Ungeachtet von unterschiedlichen historischen Wertungen der DDR bietet das Thema „Ethik und Medizin“ wichtige und differenzierende Einblicke in die Lebenswirklichkeit der Menschen. Die Qualität eines Staatssystems spiegelt sich meist am besten im Umgang mit den schwächsten Gliedern: Kranken, Behinderten, psychiatrischen Patienten, Inhaftierten, Sterbenden.
Für das Themenfeld „Ethik und Medizin in der DDR“ stellt sich auch gut 20 Jahre nach der Wiedervereinigung eine Reihe von Fragen: In welcher Weise haben Marxismus-Leninismus und Sozialismus das Gesundheitswesen der DDR ethisch geprägt? Was sind die besonderen Spannungen für moralische Fragen des Handelns am Patienten? Wie haben sich Ärzte bei Konflikten zwischen hippokratischen Werten und staatlichen Vorgaben verhalten? Gab es eine stärkere Orientierung an humanistischen Traditionen oder sozialistischer Planerfüllung? Wie sind die Entwicklung und Aufarbeitung seit der Wende einzuschätzen?
Der einführende Vortrag stellt Grundlagen der Medizinethik und ausgewählte Probleme des ärztlichen Handelns in der DDR strukturell vor. Am Beispiel von Opfern und Schreibtisch-Tätern – insbesondere Inoffiziellen Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit – werden ethische Fragen des DDR-Gesundheitswesens exemplarisch problematisiert.