Seit Jahrzehnten suggeriert das klerokratische System im Irannach außen hin demonstrativ das Erscheinungsbild, die revolutionären Eliten und das Volk stünden geschlossen hinter der Führung und seiner kompromisslosen Politik. Mit der Wahl Ahmadinejads zum Präsidenten im Jahr 2005 hatten die revolutionären Protagonisten gehofft, diese vermeintliche Einheit aufrecht erhalten zu können. Am meisten versprach sich davon die oberste geistliche Führung der Islamischen Republik, Ali Chamenei, mit dem Ziel, seine angeschlagene Autorität zu stärken.
Die Massenproteste im Juni 2009 nach der umstrittenen Wiederwahl Ahmadinejads und die Entstehung einer neuen Bewegung, die sich der „Grüne Weg“ nennt, zeigen die tiefe Unzufriedenheit, vor allem der jungen Generation, mit dem System in Teheran. Im Jahr 2011 wurde im Nahen und Mittleren Osten eine Protestwelle ausgelöst, die die Welt und die Arabische Bevölkerung selbst überrascht hat. Die Wurzel dieses Umbruchs ist allerdings eine verschleierte Krise, die seit Jahrzehnten die islamische Welt begleitet.
Die Ähnlichkeit der Massenprotestbewegungen in Tunesien und Ägypten mit der im Iran ist verblüffend, und es ist sicherlich nicht falsch, wenn man die Bewegungen in Tunesien und Ägypten als „Nachbeben“ der Proteste gegen Ahmadinejad bezeichnet. Der Nahe und Mittlere Osten befindet sich in einer Krise und steht vor einem radikalen Wandel. Vor diesem Hintergrund beleuchtet die Vorlesung anhand der Veränderungen des politischen und religiösen Klimas im Iran die Vorgeschichte einer Revolte, die kaum jemand erwartet hat.