Ja, Grüß Gott zusammen. Wir haben wieder einen interessanten Talk, Gast für ein Interview in
unserer großen Reihe Legal Tech. Herr Tom Pregelmann ist hier. Sie sind Rechtsanwalt. Sie
sind tätig in Berlin in einer Kanzlei. Aber Ihre Biografie ist ganz interessant. Sie waren ja erst
auch in den USA unterwegs als Anwalt. Dann waren Sie General Counsel bei Leviton, also bei einer
Firma, die ein Vertragsprüfungstool auf den Markt gebracht hat. Und jetzt sind Sie wieder Anwalt.
Erzählen Sie ein bisschen, wie kam das? Sie sind einer der Pioniere der Legal Tech Szene. Wie kam
es dazu? Danke. Ich weiß nicht, ob ich einer der Pioniere bin, Herr Adrian. Aber das Thema hat mich
schon lange interessiert. Und wie kam ich dazu? Ich war schon in Deutschland Anwalt und habe mir
gedacht, ich muss doch noch mal etwas anderes erfahren. Man kann nun heutzutage in viele Länder der Welt
gehen. Für mich boten sich die USA an. Ich habe da einen Master gemacht und dann doch einen Job
gefunden. Da fing dann genau die Finanzkrise an. Ich habe einen einen Job in einer Kanzlei gefunden,
die Bankruptcy Law gemacht hat und habe dann ab 2008 gesehen, was für Tools die amerikanischen
Anwälte damals schon hatten. Und diese Tools waren jetzt nicht alle High-Tech und Science Fiction. Die
haben jetzt nicht künstliche Intelligenz, irgendwelche Smart Contracts und alles Mögliche eingesetzt,
sondern auch aus Gründen, weil die Amerikaner keinen Datenschutz kennen und auch damals nicht
kannten, lagen einfach andere Datenbestände vor. Also ein Beispiel. Schon 2008 gab es ein
vollentwickeltes e-Filing. Also die elektronische Akte bei den Bundesgerichten und Anwälte durften
nur elektronisch einreichen. Die Benachrichtigung der anderen Parteien geschah mit Hochladen des
Dokumentes per E-Mail. Es gab keine weiteren Zustellungen. Das ist natürlich sehr schnell,
sehr effizient. Man sieht auch sofort, was die anderen eingereicht haben. Und natürlich alle
anderen Gerichtsakten sind öffentlich und auch alle Schriftsetze von den Bundesgerichten sind
öffentlich, sodass man auch schon damals sehr viel lernen konnte, wenn man wusste, wo man gucken
musste. Und auch ein anderes Beispiel, zum Beispiel mit Westlock, konnte man auch schon vor 10, 12
Jahren Urteile danach filtern, welcher Richter hat was zu einer Rechtsfrage entschieden. Wir wissen
alle, in Frankreich haben die Gerichte das jetzt durchgesetzt, dass man das nicht mehr darf. Die
französischen Anwälte wollen das jetzt auch durchsetzen. Da mag es auch Gründe für geben. Es
muss nicht immer alles wie in Amerika gemacht werden, aber ich habe eben, wenn man so will,
in Amerika die Zukunft gesehen. Das ist nun mal so. Es ist halt eben auch ein großes Land,
das sehr dynamisch ist. Und das ist auch jetzt teilweise noch so. Beispiele sind jetzt zum
Beispiel dieser Legal Tech-Anbieter Ross, der mit EBMs Watson arbeitet, auch gerade anhand amerikanischer
Insolvenzrechtsurteile, Bankruptcy-Urteile und da ganz interessante Sachen herausfindet.
Kate's Text aus den USA kommt sehr viel, gerade weil da eben auch die Datenbestände vorliegen.
Und wir müssen uns jetzt als deutsche Juristen fragen, möchten wir hier selber etwas entwickeln?
Können wir das? Sind die Kanzleien genügend finanziert, um das zu tun? Gibt es eigentlich
genügend Daten, um die auszuwerten? Darf es die geben? Wir wollen den Datenschutz nicht kleinreden.
Oder ist es so, dass wir hier nichts wirklich entwickeln können und müssen wir dann die
Lösung übernehmen, die die Amerikaner für uns entwickeln? Absolut interessant. Insbesondere
Sie haben in Ihrem Vortrag auch gesagt vorhin, dass ja auf diesen Plattform der Amerikaner nicht
nur die Urteile, sondern auch die Schrift setzten und sogar die verfügung der Richter drauf sind.
Das ist absolut interessant, weil man natürlich dadurch die Genese des Urteils nachlesen kann und
von dem Schriftsatz auf das Urteil schließen kann. Das sind hervorragende Daten und das sind wir ja
im Grunde in der Steinzeit hier in Deutschland. Nach meiner Kenntnis sind nicht mal 2% aller
Urteile überhaupt veröffentlicht, geschweige denn maschinenlesbar. Die Amerikaner haben einen
absoluten Wettbewerbsvorteil bei genügend Datenfond. Genau. Dazu muss man aber auch sagen,
wenn man so will, es ist vielleicht auch so, dass das Common Law, das angenehme amerikanische Recht,
auch einen dogmatischen Vorteil hat, um Legal Tech zu entwickeln. Das habe ich vorhin in meinem
Vortrag nicht so genau angesprochen. Es ist ja in Deutschland immer rechtstheoretisch noch so,
die Rechtssprechende des BGH bindet die unteren Urteilrichter eigentlich nicht. Der BGH darf
zwar das Recht vorbilden, aber dogmatisch gibt es in Deutschland kein Richterrecht. Das Landgericht
Berlin ist nicht ans Kammergericht Berlin gebunden. Es ist natürlich so, wenn das Landgericht Berlin
Presenters
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:19:34 Min
Aufnahmedatum
2021-01-26
Hochgeladen am
2021-02-01 18:39:00
Sprache
de-DE
In welchem Umfang wird bereits jetzt im juristischen Markt künstliche Intelligenz eingesetzt? Gibt es Unterschiede zum amerikanischen Rechtsraum? Welche Rolle spielt die Verfügbarkeit von Urteilen und wie zukunftsfähig sind wir aufgestellt? Wie sicher sind die Arbeitsplätze der Juristinnen und Juristen in der Zukunft? Videointerview von Herrn Rechtsanwalt Tom Brägelmann durch Notar und Lehrbeauftragten Prof. Dr. Axel Adrian.