Sehr geehrte Damen und Herren, dieser Vortrag ist ein Teil der Vortragsreihe New Lectures
der Wiesun Nürnberg der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Mein Name ist Mario Liebensteiner,
ich bin hier Junior Professor für Energiemärkte und Energiesystemanalyse und dies ist eben
auch meine Antrittsvorlesung. Es geht um aktuelle Herausforderungen der Energie- und Klimapolitik.
Ich habe meinen Vortrag in zwei Teile gegliedert. In Teil 1 geht es hauptsächlich um die Energiepolitik
in Krisenzeiten, im Teil 2 geht es dann stärker um die Klimapolitik, also um langfristigere Ziele.
Was erleben wir denn derzeit? Wieso treibt die russische Politik eine Energiepreisexplosion in
Europa? Wie wir alle mittlerweile wissen, haben sich Deutschland und Europa stark abhängig gemacht
von russischen Energielieferungen, insbesondere von Gas. Das heißt, die russische Politik hat
einen großen Einfluss auf die europäischen Energiepreise. Die russische Aggression, die
Spannungen mit Europa, ließen die Strom- und Gaspreise in die Hörschnellen und durch den
russischen Angriffskrieg gegenüber der Ukraine kam es dann zu einer regelrechten Gaspreisexplosion,
die dann ebenfalls die Strompreise getrieben hat. Das heißt, ab Mitte 2021, bereits im Vorfeld des
Krieges, erleben wir, dass die Energiepreise stark ansteigen. Warum? Es ist einerseits getrieben durch
die Furcht vor der Drosselung des russischen Gasangebots, andererseits aber auch durch das
Bestreben Europas, sich vom russischen Gas und von der russischen Energie insgesamt zu diversifizieren.
Das Ganze ist aber sehr schwierig möglich, denn für russisches Gas können wir nur schwer
substituieren. Flüssiggas aus anderen Teilen der Welt ist teuer, es ist begrenzt verfügbar und es
unterliegt Lieferrestriktionen. Das heißt, wir brauchen Schiffe und wir brauchen eine Flüssiggas-Infrastruktur,
die dieses Gas dann nach Europa bringen sollen. Fracking wäre in Deutschland ebenfalls eine
Möglichkeit, um unser heimisches Erdgasangebot zu erweitern. Das Ganze ist aber mit vielen anderen
Umweltproblemen behaftet und somit gibt es hier nur einen sehr begrenzten öffentlichen Rückhalt.
Die Energiepreiskrise gefährdet jetzt letztendlich unseren Wohlstand und die Wettbewerbsfähigkeit
Deutschlands in der Welt. Die Energiepreise explodieren für Menschen, für Haushalte und
für Unternehmen relativ unerwartet und das Ganze ist unverschuldet. Es ist nicht durch
unternehmerisches Fehlverhalten getrieben, sondern eben durch einen exogenen geopolitischen Schock.
Das Ganze passiert aber in einer ungünstigen Wirtschaftslage. Die Energiepreise explodieren
es droht eine wirtschaftliche Rezession und gleichzeitig gallupiert die Inflation. Es
kommt zu einer großen Unsicherheit in der Bevölkerung und damit einhergehend bricht
natürlich auch die Nachfrage nach vielen Gütern und Services ein. Die Energiepreiskrise stellt
also Deutschland und Europa vor sehr schwierige Herausforderungen. Es drohen massive soziale
Verwerfungen, es drohen Privatkonkurse und Unternehmensbankrotte und somit droht uns
letztendlich ein signifikanter Wohlstandsverlust. Die Energiepreiskrise gefährdet aber auch die
Wettbewerbsfähigkeit Europas, ganz besonders Deutschlands gegenüber anderen Teilen der Welt,
zum Beispiel gegenüber Nordamerika und Asien, die viel unabhängiger vom russischen Erdgas sind.
Staatliche Entlastungen sind also notwendig. Die große Frage ist natürlich, wie machen wir
denn das am besten? Wie können wir mit begrenzten Ressourcen am besten und am sinnvollsten entlasten?
Somit ist es essentiell zu diskutieren, wo die Vor- und Nachteile konkreter politischer
Maßnahmen liegen und vor allem um zu wissen, wie wir die wenigen Chancen der Krise am besten
nutzen können, um letztendlich diversifiziert und kosteneffizient zu entlasten. Schauen wir uns mal
an, wie sich der Strommix in Deutschland über die Zeit entwickelt hat. Wir sehen, dass der Anteil der
erneuerbaren Energien im Zeitverlauf stark zunimmt, aber wir selbst im Jahr 2021 immer noch
konventionelle Energieträger benötigen, um letztendlich die Stromnachfrage decken zu können.
Wir brauchen also immer noch Braunkohle, Steinkohle, die Kernenergie und für uns interessant natürlich
auch Erdgas. Wie bildet sich denn nun ein Preis am Stromgroßhandelsmarkt? Das ist wichtig, um auch
verstehen zu können, warum der Gasmarkt und die Gaspreisexplosion letztendlich unsere Strompreise so
stark treiben. Wenn wir an den Stromgroßhandelsmarkt denken, dann denken wir sehr oft an börslich
gehandelten Strom. Das bedeutet, für jede Stunde des nächsten Tages bildet sich eine Stromangebotskurve.
Die Geboten der jeweiligen Stromanbieter werden dann aufsteigend gereizt, das nennt sich Marriott
Order Prinzip und diese Geboten orientieren sich eigentlich immer an den Produktionskosten der
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:46:51 Min
Aufnahmedatum
2023-01-11
Hochgeladen am
2023-01-17 12:16:05
Sprache
de-DE
In der #NUElecture der FAU WiSo vom 11. Januar 2023 diskutierte Prof. Dr. Mario Liebensteiner, warum wir in Deutschland und Europa eine Energiekrise erleben, weshalb trotz eines hohen Anteils an erneuerbaren Energien ein hoher Gaspreis den Strompreis treibt, welche Maßnahmen jetzt sinnvoll wären, um die Krise abzumildern und was wir in der Zukunft von den Energiemärkten erwarten dürfen. Daneben ging er in seiner Antrittsvorlesung auch auf die Erreichung von klima- und energiepolitischen Zielen, wie dem Nuklearausstieg, dem Kohleausstieg, dem Ausstieg aus russischem Gas und einem signifikanten Hochlauf der erneuerbaren Energien ein. Außerdem zeigte Prof. Liebensteiner auf, dass die Energiekrise nicht nur Probleme, sondern auch Chancen mit sich bringt.