Der Vortrag analysiert die spezifische Logik der Divination, von der Annahme ausgehend, dass es sich um keine irrationale Form handelt, sondern um eine andere Rationalität als diejenige der modernen westlichen Gesellschaft. Die Divination setzt eine geordnete Welt voraus, regiert aus einer höheren Notwendigkeit heraus, die den Menschen wegen ihrer wesentlichen Beschränktheit unzugänglich ist. Divinatorische Techniken bieten Verfahren, um begrenzten Zugang zu dieser überlegenen Weisheit zu haben; sie ermöglichen unter anderem, (eingeschränkte und immer rätselhafte) Angaben über künftige Ereignisse zu gewinnen, die als bereits bestimmt betrachtet werden.
Während die Divination einen Beobachter voraussetzt, der innerhalb der Welt ist, lokalisiert die moderne Rationalität den Beobachter außerhalb der Welt der Objekte und trennt die Untersuchung der subjektiven Faktoren klar von der Erforschung der objektiven Welt: in dieser Logik muss die Divination als Aberglaube und Unvernunft marginalisiert werden. In jüngster Zeit wird jedoch diese Trennung zwischen subjektiven und objektiven Faktoren in verschiedenen hoch technisierten Bereichen in Frage gestellt, wie z. B. auf den Finanzmärkten oder im Kontext des Internets, wo man dazu neigt,sich auf Mechanismen divinatorischer Art zu beziehen.