Aus ihrem gesellschaftlichen Legitimierungszwang heraus maß die SED dem Gesundheitswesen der DDR und damit der Tätigkeit von Ärzten einen überaus großen politischen Stellenwert bei. Mit der Entwicklung eines verstaatlichten Gesundheitswesens ging deshalb auch der Versuch der Parteiführung einher, die Ärzte ihrem Herrschaftsanspruch weitgehend unterzuordnen. Dennoch stand ein großer Teil dieser bildungsbürgerlich geprägten Berufsgruppe mit tradiertem Standesbewusstsein den Anforderungen der SED an eine „sozialistische Ärzteschaft“ überaus kritisch oder sogar ablehnend gegenüber.
Die Mehrheit der Ärzte in der DDR gehörte weder der SED an, noch ließ sie sich auf Spitzeltätigkeiten für die Staatssicherheit ein. Aber der Anteil an Inoffiziellen Mitarbeitern (IM) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) unter Ärzten war eindeutig höher als in der Gesamtbevölkerung. Diese Tatsache weist allerdings nicht auf eine besondere Anfälligkeit der Ärzte für denunziatorisches Verhalten hin, sondern bestätigt einmal mehr, dass die Partei- und Staatsführung diese Berufsgruppe besonders penibel observieren ließ.
Im Mittelpunkt des Vortrages stehen die spezifischen Merkmale der konspirativen Zusammenarbeit von Ärzten mit dem Staatssicherheitsdienst. Dabei geht es im Einzelnen um die mannigfaltigen Motive für die Kooperationswilligkeit, um Schwerpunkt- und Aufgabenbereiche, Dauer und Intensität der Spitzeltätigkeit, Quantität und Qualität der abgefassten Berichte sowie um die Frage, wer, wie oft und aus welchem Grund die ärztliche Schweigepflicht gebrochen hat. Diese differenzierte Betrachtung soll letztendlich zu einer sachlichen Auseinandersetzung mit Denunziationen, ihren Ursachen und Folgen beitragen.