In diesem Podcast unterhalte ich mit mit Prof. Dr. Martin Huber, Prof. Dr. Christina Zitzmann und Torsten Utz (Sprecher der Landesstudierenenvertretung) über die Auswirkungen der Digitalsierung auf die Lehre.
Das Gespräch fand am 10.10.2023 auf dem Symposium des Projekts QUADIS an der Universität Erlangen-Nürnberg statt.
Die Zukunft der Lehre. Wissen teilen. Chancen gestalten. Ein Podcast. Wir haben Corona super gemeistert, finde ich. Also wir sind da wirklich Bildungsgestalten gewesen. Dann komme ich, egal wo ich hingehe, in Bayern an einen ganz inspirierenden Lernort. Ich glaube, solche Sachen muss man aufpassen, dass man da nicht zu konservativ an die ganze Sache rangeht.
Uwe Fahr: Willkommen zum Podcast Zukunft der Lehre. Wissen teilen. Chancen gestalten. Mein Name ist Uwe Fahr. Ich bin Hochschul- und Wissenschaftsdidaktiker am Fortbildungszentrum Hochschullehre der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Sprecher von Profilehre Plus, dem Verbund der Hochschuldidaktischen Zentren in Bayern. In dieser Reihe sprechen wir über die Zukunft der Lehre an Hochschulen. Wir sprechen zum Beispiel darüber, welche Auswirkungen die Digitalisierung auf die Hochschullehre hat oder wie sich das Verständnis von Bildung verändert. In diesem Podcast hören Sie heute den ersten Teil einer Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Martin Huber, Prof. Dr. Christina Zitzmann und Thorsten Utz. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Gesprächs werden später noch vorgestellt. Das Gespräch wurde in zwei Podcasts aufgeteilt. Im ersten Podcast geht es um die Digitalisierung. Im zweiten Podcast sprechen wir unter anderem über das Thema Bildung. Das Gespräch wurde am 11. Oktober 2023 auf dem Symposium Brückenschlag Lernprozesse in analogen, hybriden und digitalen Formaten aufgezeichnet. Die Fachtagung fand im Rahmen des bayernweiten Projekts QUADIS statt. QUADIS steht für die Qualität digital gestützter Lehre an bayerischen Hochschulensteigern. Das Projekt wird von ProfiLehrePlus und dem BayZiel getragen.
Uwe Fahr: So, ich darf ganz herzlich meine Gäste begrüßen zu unserem Gespräch und ich gestatte mir mal, dass wir oder dass ich jetzt mal alphabetisch von hinten nach vorne beginne. Ich darf begrüßen Frau Prof. Dr. Christina Zitzmann. Frau Prof. Zitzmann ist Professorin an der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm. Das ist wohl der korrekte Titel. Sie ist dort Vizepräsidentin für Bildung und hat, wie es dann immer so schön heißt, das habe ich heute schon häufiger gehört, ihre akademische Reise begonnen an der Evangelischen Hochschule Nürnberg. Sehr schön, sozusagen in unmittelbarer Nähe hier auch. Dort haben sie auch ihren Abschluss als Diplom Sozialpädagogin erworben und haben danach an der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen ein Promotionsstudium absolviert. Und zwar in den Erziehungswissenschaften. Sie war Lehrkraft für besondere Aufgaben an der Katholischen Universität Eichstätt Ingolstadt und heute, wie gesagt, an der Georg Simon Ohm, also auch nicht ganz so weit entfernt. Sie ist Autorin und Co-Autorin von verschiedenen Beiträgen und Projekten zur Didaktik.
Weiter ist bei mir, deswegen alphabetisch von hinten, darf ich mit Herrn Utz weitermachen, Thorsten Utz. Sie sind Delegierte der Hochschule Coburg in bayerischen Landesstudierendenvertretung. Wir müssen alle zugeben, dass wir noch am Lernen sind. Sie haben einen Bachelor in Informatik an der Hochschule Coburg erworben und studieren gegenwärtig berufsbegleitend den Master Zukunftsdesign. Am Lukas-Kranach-Campus in Kronach. Falls ich mich an einer Stelle täuschen sollte, geben Sie mir Bescheid. Aber da ich fleißig abgeschrieben habe im Internet.
Torsten Utz: Es ist auch fast alles korrekt. Also Delegierte bin ich nicht mehr, aber die Zeit liegt lang hinter mir tatsächlich. Also mittlerweile bin ich Sprecher des Bayerischen Landessstudienrats. Wir sind seit gut zwei Monaten ein neues Gremium, das dank dem Hochschulinnovationsgesetz auch existiert. Genau.
Uwe Fahr: Herzlichen Dank. Und mit dabei ist auch Herr Prof. Dr. Martin Huber. Herr Prof. Huber, Sie sind aktuell, weil wir gerade bei Sprecher sind, Sprecher der Runde der Vizepräsident:innen Lehre in Universität Bayern e.V. Auch Sie haben eine lange akademische Reise hinter sich 1991 promoviert. Dann am Institut der Deutschen Philologie der LMU München gearbeitet. 1998 habilitiert auch hier in München von Neuerer Deutscher Literaturwissenschaft. Sie waren lange an der Fernuniversität in Hagen, habe ich hier gesehen. Und Dekan der Fakultät für Kultur und Sozialwissenschaften. Und 2010 haben Sie den Lehrstuhl von Neuerer Deutscher Literaturwissenschaften an der Universität in Bayreuth übernommen.
Mein Name ist Uwe Fahr. Ich bin Sprecher von ProfiLehre Plus. ProfiLehre Plus, das ist das Netzwerk der Hochschuldidaktischen Zentren der Bayerischen Universitäten. Und mit dieser Veranstaltung schließen wir jetzt unsere QUADIS-Tagung hier ab. Da bin ich jetzt natürlich doppelt stolz darauf, wenn ich das auch mal sagen darf, weil wir als Netzwerk ja auch dieses Projekt kreiert haben. Auch als hochschulübergreifendes Projekt oder Hochschultypenübergreifendes Projekt auch initiiert haben. Denn wir kooperieren im Rahmen dieses Projekts ja auch mit dem BayZiel. Wir werden uns jetzt im Laufe dieses Gesprächs mit verschiedenen Themen beschäftigen. Und wir haben es ja mal genannt, so Ideen für eine innovative Lehre der Zukunft. Da sind wir mal sehr gespannt, ob wir gemeinsam da Ideen kreieren können oder wie das ausschaut. Ich würde einfach mal ganz gerne mal beginnen. Es ist ja immer ein bisschen willkürlich. Ich fange mal sozusagen aber mit unseren Studierenden an, denn das interessiert uns natürlich auch immer besonders stark. Wie schaut denn, ich frage mal ganz so direkt, wie es jetzt so hier steht, Hochschullehre 2030 in ein oder zwei Sätzen, wenn Sie in die Zukunft schauen. Und alles läuft nach Ihren Wünschen. Wie schaut dann die Hochschullehre der Zukunft aus?
Tosten Utz: Zwei Sätze sind schwierig. Nein, ich glaube tatsächlich, dass wir an einem Punkt angekommen sind, an dem sich sehr viel verändern wird. Also das betrifft natürlich nicht nur den Hochschulbereich, sondern eigentlich alle Lebensbereiche. Aber auch hier wird es aufschlagen. Und ich glaube, man merkt das auch mittlerweile jetzt so nach Corona. Es hat sich einiges verändert und viele wissen auch gar nicht so genau, was ist denn da los. Also die Leute kommen nicht mehr so zu den Vorlesungen, wie das früher der Fall war. Und die Leute erwarten auch ganz andere Herangehensweise, wie wir die Lehre der Zukunft gestalten. Und ich glaube, die sieht so aus, dass die wesentlich individueller ist, dass die natürlich auch digital ist, aber auch in Präsenz stattfindet. Und dass sie in den Formaten, die wir bisher kannten, und die haben sich ja in den letzten Jahren auch nicht wesentlich verändert. Es gab immer mal wieder einzelne Stellen, aber im Großen und Ganzen gibt es die große Hörsaalvorlesung immer noch. Und ich glaube, dass die tatsächlich zum größten Teil der Vergangenheit angehören wird. Und dass wir ganz andere Formate haben werden und müssen, um auch diesen Bedürfnissen, die wir als Studierende auch haben, gerecht werden zu können.
Uwe Fahr: Frau Zitzmann, was denken Sie? Wie sehen Sie, wie ist Ihr Blick in die Zukunft?
Christina Zitzmann: Also schon ein optimistischer. Ich bin da voll bei Ihnen. Ich würde mir wünschen, dass wir in Zukunft flächendeckend Lehrende haben an den Hochschulen, die so ihre eigene Lehre zum Forschungsgegenstand machen und sich überlegen, wie kann gute Lehre ausschauen? Und wenn ich mir was wünschen könnte, wäre es, dass wir, wir haben ja lang vor Corona gab es Lehrende, Hochschuldidaktikerinnen, die hier sitzen, die sich schon mit dem Thema beschäftigt haben. Wie muss eine Lehre ausschauen, dass sie wirksam ist? Was ich mir wünschen würde, ist, dass wir es schaffen, dass wir über diese, wenn ich in mein Haus schaue, 10 bis 15 Prozent, die sich eh schon immer mit dem Thema beschäftigen, dass wir das in die Fläche kriegen. In Corona mussten alle. Und ich bin natürlich schon ein bisschen traurig, wenn Sie mir sagen, auch jetzt nach Corona ist diese Form der klassischen Wissensvermittlung, wo Sie eigentlich nur, sage ich mal, passive Zuhörer sind, immer noch da. Eigentlich hätten wir ja sagen müssen, es hat so viel Dynamik gehabt jetzt in Corona, dass sich wirklich was diametral verändert hat. Von daher würde ich mir wünschen, dass wir, ich weiß nicht, was dort steht, 2030, ich habe vorhin 13 verstanden, das ist aber irritiert, 2030 eine große Bewegung haben. Und für mich persönlich glaube ich, muss sie ganz zentral an den Lehrenden und ihrer Rolle ansetzen. Ich weiß gar nicht, ob ich Ihre Frage jetzt direkt beantwortet habe, ob das die Zukunft ist. Die Zukunft ist, die Studierenden gehen in die Hochschulen, sind auch vor Ort, also sind schon auch in der Präsenz. Aber ich möchte eigentlich mich gar nicht lang unterhalten über Präsenz Online, sondern dieses, wann gehen Sie raus und sagen, ich habe echt was gelernt und das bringt mich weiter in meinen Bildungsweg. Das würde ich mir wünschen.
Uwe Fahr: Herr Huber, wie ist Ihr Blick in die Zukunft?
Martin Huber: Ich kann mich zunächst mal allem anschließen, was bisher gesagt wurde. Ich will nur einen anderen Aspekt dazu fügen, vor ich meine Vorstellungen ein bisschen ausführe. Und zwar aus Sicht der Universitäten müssen wir der Lehre viel mehr Gewicht geben und tun das jetzt schon, aber es muss noch viel mehr werden. Wir werden sonst keine Studierenden mehr haben. Die Studierenden wählen auch aus zunehmend nach der Form, wie sie unterrichtet, das ist schon das falsche Wort, also wie sie eigentlich dort Bildung erfahren, wie sie als Person mitgenommen werden, wie sie ihre Ziele verwirklichen können. Das heißt, wir müssen, glaube ich, zusammen ganz ernsthaft überlegen, den Weg wirklich ganz stark weiterzugehen. Alle, die hier im Raum sitzen, sind ja die Guten. Sie sind ja sowieso schon seit Jahrzehnten oder seit Jahren damit beschäftigt, die Lehre aufzuwerten. Und wir haben immer gesagt, also wir von den Hochschulleitungen haben immer gesagt, wir tun das auch. Aber jetzt ist wieder die Situation, Frau Zitzmann hat darauf hingewiesen, wir haben Corona super gemeistert, finde ich. Also wir sind da wirklich bildungsgestaltend gewesen, wenn ich in die Schulen blicke. Da ist ganz viel nicht so gut gelaufen, aus unterschiedlichen Gründen. Die Universitäten und Hochschulen haben das eigentlich super gemanagt. Aber jetzt kommen, wir haben es vorher genannt, Behaarungskräfte wieder auf den Plan. Und ich glaube, da muss man schon dabei bleiben und deutlich machen, wir werden als Universität und Hochschulen uns nur gut weiterentwickeln können, wenn es gelingt, weiterhin die besten Köpfe zu kriegen. Und die gucken mittlerweile eben auch, wie ist eigentlich die Lehre? Was bekomme ich da?
Uwe Fahr: Ja, vielen Dank für diese ersten Einblicke und Einschätzungen. Und vielleicht greifen wir gleich mal das Stichwort auf. Wir haben es genannt, Stichwort Digitalisierung. Digitalisierung ist etwas, was uns hier auf dem Symposium auch die ganzen Tage natürlich intensiv begleitet hat. Klar, unser Projekt hat natürlich auch digital gestützte Lehre auch noch im Namen. Ich würde mal auch wieder hier mit Herrn UtZ gerne mal beginnen. Ich formuliere mal die Frage ein bisschen provozierend oder versuch es zumindest mal. Sagen Sie mal, jetzt werden doch dauernd irgendwie Tools und Programme durch die Gegend gejagt. Aber mal im Ernst gesprochen, was außer Word ist wirklich an der Digitalisierung dran?
Torsten Utz: Wie meinen Sie das genauer?
Uwe Fahr: Welche Tools helfen Ihnen wirklich beim Lernen? Wo hilft Ihnen wirklich etwas? Mit Word können Sie ja einen Text schreiben. Also ich glaube tatsächlich, dass es gar nicht abhängig von den Tools, sondern ich glaube, dass es abhängig davon ist, was man damit erreichen möchte. Es gibt Tools, die sind unterstützend da, um die Kommunikation anzufördern oder um Feedback zu geben. Also gerade individuelle Lernpfade oder Lernfortschrittssachen. Das lässt sich mit digitalen Tools viel besser abbilden, als wenn ich hier eine Liste ausdrucke. Das muss man auch ganz ehrlich sagen oder jetzt auch so Interaktionen mit dem Publikum, sage ich mal so, oder dann eben in den Vorlesungen mit den Studierenden ist etwas, was sehr hilfreich ist. Und ich habe da auch, ich habe da manchmal das Gefühl, dass da die Hochschuluniversitäten etwas zu vorsichtig rangehen. Da wird dann immer gleich, wenn man ein einfaches Tool hat, jetzt oft wird Menti zum Beispiel verwendet oder sowas. Dann höre ich unsere Justizjahren schon hören, ja, aber der Datenschutz und das geht ja alles nicht und so weiter. Ich glaube, solche Sachen muss man aufpassen, dass man da nicht zu konservativ an die ganze Sache rangeht. Also wir waren gestern bei der UTN gewesen. Die machen das halt einfach. Keine Ahnung, ob das wirklich immer hundertprozentig richtig ist. Ja, aber ich glaube, man muss da viel ausprobieren. Und Herr Huber, Sie haben schon gesagt, ja, hier die Leute, die sitzen, die machen das ja schon lange, Frau Zitzmann ja auch. Aber das in die Fläche zu tragen und auch den Leuten zu zeigen, dass sie sich mal ausprobieren können in der Lehre und das auch mit den Studierenden zusammen. Ich glaube, da ist keiner böse hinterher, wenn das mal nicht hundertprozentig geklappt hat. Und das ist, glaube ich, etwas, da ist es gar nicht wichtig, ob das Tool jetzt von der einen Firma oder von der anderen Firma kommt oder ob das das eine oder andere ist. Sondern man muss sich halt überlegen, was man erreichen möchte damit. Ja, und wenn ich eine Kommunikation unter den Studierenden haben möchte oder auch wissen möchte, wie stehen denn die Studierenden gerade in ihrem Wissen oder so, dann lässt sich das durchaus lösen. Ich kann mich erinnern, in meiner einer meiner Vorlesungen damals, da hatte der Professor so einen Kasten dabei mit Geräten, wo man so digital abstimmen konnte. Also heute würde man sagen, das macht man eben über so etwas wie Menti. Aber im Prinzip war das das Gleiche. Im Prinzip hat er Fragen gestellt und man hat abgestimmt und gesagt, okay, so weit seid ihr, so steht ihr auch selber. Da hat nichts erstmal nichts mit Benotung oder so an sich zu tun gehabt.
Uwe Fahr: Das scheint ja schon mal hilfreich gewesen zu sein, wenn es Ihnen in Erinnerung geblieben ist. Ja, gehen wir vielleicht mal auf diesen Punkt ein, den wir auch sehr diskutiert haben. Seit einem Teilfalljahr ChatGPD große Aufregung, der radikale Umbruch, der da bevorsteht. Herr Huber, nehmen Sie das auch so wahr? Ist das so eine Disruption, die uns da jetzt wieder bevorsteht?
Martin Huber: Ja, absolut. Also ich habe neulich irgendwo gelesen, weil ja oft die Angst herrscht, dass KI Arbeitsplätze ersetzt oder KI uns irgendetwas wegnimmt. Da war die Perspektive eine ganz andere. Wenn du einen Beruf hast, in dem KI keine Rolle spielt, hast du ein Problem. Das war eigentlich die Botschaft und die ist, glaube ich, leider richtig. Nein, ChatGPD hat uns gezeigt, dass die KI mittlerweile, wir kennen die exponentielle Kurve eben an der Stelle ist, wo sie sich so schnell weiterentwickelt, dass sie absolut disruptiv ist. Und wir alle tun gut daran, uns zu überlegen, was das für uns als Universitäten und Hochschulen bedeutet. Also da kommen wir wieder zurück auf die Lehre. Also wir können nicht so weitermachen. Stoff vermitteln, Bulemielernen, Wissensabfragen, sondern wir brauchen eine neue Form der Interaktion mit den Studierenden, wo auch KI eine Rolle spielt. Sie haben Word als Schreibprogramm genannt. Das ist ja sozusagen schon eine Extension von uns. Also wir benutzen das und so wird die KI genauso funktionieren. Wir stellen einfach die Anfragen künftig und sie werden KI unterstützt beantwortet. Das heißt, wir haben eine ganz andere Rückmeldungsebene und die Informationsdichte ist viel höher und damit müssen wir konstruktiv umgehen. Das heißt, alle Fächer fragen sich jetzt oder müssten sich fragen, was sind eigentlich die Inhalte, die meine Studierenden wirklich noch wissen müssen, also aktiv wissen müssen, was sind die Inhalte, die wir zusammen mit den Tools, die es gibt, dann konstruieren? Wie kommen wir zu unseren Forschungsfragen in dieser neuen Welt und was heißt es dann am Ende auch für unsere Prüfungen? Also wir brauchen noch Prüfungen, die eben nicht Wissen abfragen, sondern die stärker auf Kompetenz setzen und auch die Möglichkeit geben, interaktive Formen zu wählen, dass sozusagen die KI aus dem Label Betrugsverdacht herauskommt. Das ist ja eigentlich die Schwierigkeit.
Uwe Fahr: Ja, spannend, dass Sie gerade auch das Thema Forschungsfragen generieren angesprochen haben. Das haben wir in einem Workshop hier tatsächlich auch ausprobiert, wie gut funktioniert das? Und natürlich war auch so ein bisschen eine Erfahrung damit, naja, es ist am Ende aber doch nicht die eigene [Frage]. Also so richtig verteidigen ist dann nachher auch ein bisschen eine Schwierigkeit. Frau Zitzmann, Sie beschäftigen sich ja schon länger auch mit diesen KI-Systemen und haben ja auch Projekte und auch Ideen dazu, auch so etwas wie intelligente oder KI-Tutoren-Systeme zu machen. Wie sehen Sie das?
Christina Zitzmann: Also ich bin auch jemand, der fast täglich auch so ein Tool nutzt. Das heißt, ich habe natürlich, müssen wir uns darüber Gedanken machen, wie wir das jetzt zukünftig integrieren können. Also die Studierenden nutzen diese Tools und ich kann vielleicht erzählen von der TH, da waren natürlich die ersten, die Fakultäten Informatik auch, die mir da gleich einen Post rübergeschickt haben und gesagt haben, also da ist jetzt wirklich eine Disruption. Ja, und die waren dann auch die ersten, die mit einer Prüfungsordnung drauf reagieren wollten in der Hinsicht. Aber sonst war es relativ still. Ich merke es jetzt, dass es immer mehr kommt. Aber ich möchte es raus haben aus der Ecke, das wird ja verwendet, um sich da einen Vorteil zu verschaffen. Und wir müssen genau in die Diskussion rein. Das hat was mit unserem Prüfungswesen zu tun. Wenn wir so prüfen, dass wir nur reproduziertes Wissen irgendwie abfragen, dann müssen wir genau da nachdenken und sagen, okay, also in dem Fall haben sie dann gesagt, okay, die prüfen jetzt ganz viel mündlich noch, also gehen weg von dieser schriftlichen Prüfung. Aber wir sind in der Tat dabei, auch zum Beispiel so ein Hochschulassistenzsystem zu entwickeln, wo es auch ein KI-Tutor geben wird, der eben, da waren Sie vorher, bei diesen individuellen Lernpfaden, also noch mal den einzelnen Studierenden unterstützt und auch Übungsaufgaben generiert, didaktisch abgeleitet, sinnvolle Übungsaufgaben. Also es ist so ein Gesamtpaket. Und das jetzt ChatGBT hochschwappt, es gab ja schon vorher auch, jetzt ist es halt dieses Dialoghafte, das uns fasziniert oder schockiert. Aber es gibt ganz vielfältige Einsatzmöglichkeiten und unsere Absolventen müssen diese Tools auch nutzen. Hinterfragen, da stimme ich Ihnen nicht zu, weil nicht jedes Tool, was Sie vorhin gesagt haben, die sollen wir alle nutzen. Ich verstehe den Datenschutz manchmal schon. Also man muss schon auch so eine kritische Reflektion haben, was passiert mit meinen Daten, wenn ich die da reingebe. Aber das haben Sie sicherlich mit gemeint, genau.
Uwe Fahr: Ja, aber vielleicht ist das gerade ein gutes Stichwort oder überhaupt, wie ist der Umgang mit Daten? Also es gab ja vorher schon auch eine Diskussion über Learning Analytics. Und wie ist es aus Studierendensicht? Gibt es da nicht auch einfach Befürchtungen, wenn schön mein Lernprozess getrackt wird über einen längeren Zeitraum, dass dann auch die Professoren mal gucken, arbeitet er auch fleißig und tut er auch was oder tut die auch was? Wie ist das? Ist da nicht auch Befürchtungen im Spiel?
Torsten Utz: Mit Sicherheit, das glaube ich auf jeden Fall. Ich glaube, wichtig ist es an der Stelle halt auch genau zu kommunizieren, wofür es da ist. Und auch genau zu vermitteln, dass es eigentlich nicht als Kontrolle seitens der Lehrenden da ist, sondern als Selbstkontrolle. Und ich glaube, letzten Endes geht es ja darum, den Studierenden auch zu helfen oder uns auch zu helfen, selbst einschätzen zu können, wo muss ich denn noch mal genauer hinschauen, wo eben nicht. Und wir haben vorhin das gehabt mit den Prüfungen, wir brauchen Prüfungen. Ich glaube, man muss sich schon genau überlegen, was prüfen wir. Wenn ich jetzt gerade höre, wir fragen dann einfach alles mündlich ab, dann ist das glaube ich das Ziel verfehlt. Weil dann haben wir eigentlich nicht hinterfragt, was wollen wir denn von den Leuten wissen oder was müssen die denn, wenn ich jetzt als Absolvent oder als Absolventin hinterher rausgehe, was muss ich denn können? Und wenn das ist, dass ich das dann nur mündlich abfrage, glaube ich nicht, dass wir irgendwas gewonnen haben. Ja, sondern da müssen wir halt gucken, dass wir das, also die Leute sollen ja hinterher was wissen. Also davor gehen sie ja hoffentlich in die Hochschule, in die Universität. Und da denke ich tatsächlich, es ist einfach auch wichtig, den Leuten zu erklären, was passiert bei diesen Systemen und wofür sind die da. Und wenn man das vielleicht auch gemeinsam, zusammen mit den Studierenden und den Lehrenden, gemeinsam auch entwickelt, was hilft uns denn dabei, dann ist auch das Vertrauen wesentlich größer.
Uwe Fahr: Herr Huber, wie ist es denn aus Sicht der Lehrenden? Ist da nicht genauso auch ein Bedenken, wenn ich mein Material hergebe, Gott, wie ist das Urheberrecht, ich habe vielleicht Dinge drin, die nicht drin sein dürften und ist da nicht dann auch eher eine Haltung, mal lieber nichts hergeben und dann ist man sicher?
Martin Huber: Da antworte ich gern drauf. Ich würde vorher noch kurz zum KI-Thema noch etwas sagen. Es ist jetzt ein bisschen auf die Ebene der Learning Analytics abgerutscht, würde ich sagen, oder einseitig geworden. Ich glaube, es ist viel größer. Und bei der Gelegenheit wollte ich anknüpfen, Sie machen das ja auch mit KI-Tutoren sozusagen den Einsatz vorbereiten. Und da ist ja der Einsatz nicht auf die Studierenden konzentriert, sondern es ist eine gemeinsame Beschäftigung mit einem neuen Instrument, das sowohl die Lehrenden als auch die Studierenden disruptiv angreift. Und wir haben jetzt die Möglichkeit, mit Geld aus dem Ministerium und von der VBW einige KI-Tutoren an jedem Standort auszubilden. Und da ist die Logik eigentlich die, dass die Professoren die Lehrstühle jemand hinschicken und diese Person geschult wird, zurückkommt und dann eigentlich mit den Lehrpersonen auch in Kontakt tritt. Und das ist eigentlich der zentrale Moment an der KI in der Lehre. Also weniger die Möglichkeit, die Analytics noch besser zu machen, sondern tatsächlich gemeinsam diesen Prozess zu gehen. Wie verändert die KI unser Fach jeweils? Das ist in jedem Fach anders. Was habe ich dafür Auswirkungen zu erwarten und wie reagieren wir da drauf? Also das finde ich sehr einen wichtigen Gedanken. Übrigens zu der Learning Analytics. Wir haben uns eigentlich an meiner Universität dafür entschieden, das immer absolut freizustellen. Also die analytischen Tools, wenn es sie gibt, die haben immer diesen On-Off-Knopf, dass Personen einfach entscheiden können, was sie möchten. Aber jetzt die Frage zu den gemeinsam benutzten Lernmaterialien. Es gibt das alte Sprichwort, also lieber noch die Zahnbürste von der Kollegin oder vom Kollegen als die Lehrmaterialien auszutauschen. Aber ich glaube, das ist auch überholt mittlerweile. Also seit Corona und in der VHB haben wir auch ganz gute Erfahrungen gemacht. Und Quadis ist ja das aller, allerbeste Beispiel dafür, dass das ganz anders geht. Also ich glaube, das gehört mit zu der Veränderung, die auch eintreten wird, wo sie noch nicht eingetreten ist, nämlich die Offenheit in diesem Bereich. Was ist denn der Gedanke dahinter, wenn ich sage, ich habe mein Lehrmaterial und das ist sozusagen das Beste auf der Welt. Und da kann der Kollege von X natürlich auch das gleiche Fach lehren und die Veranstaltung heißt genauso, aber das ist natürlich nicht das Gleiche. Ich glaube, wir sind alle davon weggekommen, sondern haben verstanden, dass wir sehr viel voneinander lernen können und auch die eigene Lehre stark profitiert, wenn wir bereit sind zu teilen und auch von anderen was aufzunehmen. Und insofern sehe ich da einen sehr großen Bereich, der die Lehre auch international öffnet, auch zwischen den Standorten, die sind übrigens auch zwischen den Hochschularten in Bayern schon sehr gut vernetzt und uns gemeinsam einen Lehr- und Vermittlungsraum schafft, der uns allen ja nutzen kann.
Der Podcast Zukunft der Lehre Wissen teilen, Chancen gestalten wird vom Fortbildungszentrum Hochschullehre der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen Nürnberg im Rahmen des Projekts Quades erstellt. Produktion und Sprecher Dr. Uwe Fahr, Intro Dr. Stefan Rieger, Technische Unterstützung Thomas Bauernschmidt. Das Pianologo und die Musik stammen von Mood Mode Pixar Bay. Der Podcast entstand im Oktober 2023. Die Zukunft der Lehre. Wissen teilen, Chancen gestalten. Ein Podcast.